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(6)

Künſte des Chriſtenthums gezehlet·/ weil wir dadurch nicht ein äuſſerliches

Mundwerck·/ welches mit rethoriſiren nach Gewohnheit practiciret wird·/ ſo

thut es auch nicht der ſogenannte Enthuſiasmus precatorius, da ebenfals

mit weniger Andacht mehr ein Staat und Gewohnheit mit einer ſolchen ver-

meinten Devotion getrieben wird·/ wie es dann die Anmerckung gegeben hat·/

daß auch grauſame Tyrannen oder gar Barbarn bey und vor ihren Tyranni-

ſchen oder unziemenden Vornehmen den Schein der Devotion und vieles ver-

meintes Gebetes an ſich wollen ſpüren laſſen·/ welches von verſtändigen

Scribenten ſonſt nach der Länge ausgeführet wird; Sondern das Gebet

im Geiſt und in der Wahrheit den Herrn anzuruffen·/ und in ſolchem Geſpräch

mit GOtt ſtehen·/ erfordert heilige und hertzliche Begierde und Andacht.

Die Jünger·/ welche allbereit einige Zeit in der Schule des beſten

Lehrmeiſters zu beten zugebracht hatten·/ hatten noch immer Urſache zu wün-

ſchen und zubegehren·/ und um ſolche Unterweiſung zu bitten. Der in ſeinem

Gebet mit ungemeinem Eifer·/ Andacht uud Vertrauen betende Lutherus

wünſchete ſich hertzlich·/ um ſich in ſeiner Bet-Art zu ſtärcken·/ daß er hätte ſei-

nen Heyland in ſeinem Gebet und Flehen vor dem himmliſchen Vater bitten

und vorbitten ſehen und hören mögen. So iſts ſich auch nicht zuverwun-

dern·/ daß ein bekanter Lehrer unſerer Kirchen·/ dem doch GOtt beſondere Ga-

ben verliehen hatte·/ zu Gebet und anderer Erbaulichkeit münd- und ſchrifft-

lich nützliche Anleitung zugeben·/ an einem Ort fraget und ſchreibet: Ich

möchte wohl wiſſen·/ ob meine Zuhörer alle recht beten könten? ich

kans nicht.

Wenn nun der Ausbund ſolcher Gnadenreichen Männer ſich darinnen

beſcheidentlich ihrer Unvollkommenheit errinnert·/ und in der Schule Chriſti

und nachdem Beyſpiel der Jünger ſich noch täglich zu beſſern verlanget; So

mag auch Niemand unter uns dieſe Ubung und Kunſt leichte und gering ach-

ten·/ wohl aber bey der täglichen ubung allſtets·/ und bey ſeinem Gebet dabey

umb Göttl. Beyſtand ſeufftzen und ſagen: Herr·/ lehre uns beten.

Luc. XI, I.

Sollen wir in Erzehlung ſolcher ſchweren Ubungen und Künſte der

erſten eine andere an die Seite ſetzen·/ ſo könte es Ars patiendi oder die U-

bung der Gedult und des Chriſtlichen Leydens ſeyn. Es muß aber da-

durch nicht verſtanden werden patience par force, wie es die Welt nennet·/

eine abgenöthigte Gedult·/ da man etwan Gewalt und Zwanshalber nicht an-

ders als gedultig ſeyn muß·/ welche den Heyden und Unglaubigen gemein und

eigentlich Ungedult·/ und höchſt ſchädlich iſt. Quid enim juvat obniti? Denn

was hilfft vergeblich wiederſtreben? Wie einer auf den zerſchnittenen

Aal die Uberſchrifft machte; Sondern wir zielen auf die Chriſtliche und nach

Göttl. Anweiſung vorgebildete und beſchriebene Gedult·/ wenn ich mit gläu-

bigem Hertzen nach Aſſaphs Mnnd-Art ſpreche: Ich muß das leiden! Wel-

ches zwar dem Fleiſch und Blut·/ ſo nur immer den Holtzweg will·/ darüber ſel-

bige Unart gleichſam zum Liedlein worden: (Wie ſchwerlich läſt ſich Fleiſch

und Blut zwingen zu dem ewigen Gut) gantz beſchwerlich·/ in ſeinen

Ohren eine frembde Sprache·/ und im Garten des Hertzens herba exotica

eine frembde und unbekandte Pflantze iſt·/ abermahls nach dem·/ wie es Chriſt-

Pſalm.

LXXVII,

II.

lich
(6)

Künſte des Chriſtenthums gezehlet / weil wir dadurch nicht ein äuſſerliches

Mundwerck / welches mit rethoriſiren nach Gewohnheit practiciret wird / ſo

thut es auch nicht der ſogenannte Enthuſiasmus precatorius, da ebenfals

mit weniger Andacht mehr ein Staat und Gewohnheit mit einer ſolchen ver-

meinten Devotion getrieben wird / wie es dann die Anmerckung gegeben hat /

daß auch grauſame Tyrannen oder gar Barbarn bey und vor ihren Tyranni-

ſchen oder unziemenden Vornehmen den Schein der Devotion und vieles ver-

meintes Gebetes an ſich wollen ſpüren laſſen / welches von verſtändigen

Scribenten ſonſt nach der Länge ausgeführet wird; Sondern das Gebet

im Geiſt und in der Wahrheit den Herrn anzuruffen / und in ſolchem Geſpräch

mit GOtt ſtehen / erfordert heilige und hertzliche Begierde und Andacht.

Die Jünger / welche allbereit einige Zeit in der Schule des beſten

Lehrmeiſters zu beten zugebracht hatten / hatten noch immer Urſache zu wün-

ſchen und zubegehren / und um ſolche Unterweiſung zu bitten. Der in ſeinem

Gebet mit ungemeinem Eifer / Andacht uud Vertrauen betende Lutherus

wünſchete ſich hertzlich / um ſich in ſeiner Bet-Art zu ſtärcken / daß er hätte ſei-

nen Heyland in ſeinem Gebet und Flehen vor dem himmliſchen Vater bitten

und vorbitten ſehen und hören mögen. So iſts ſich auch nicht zuverwun-

dern / daß ein bekanter Lehrer unſerer Kirchen / dem doch GOtt beſondere·Ga-

ben verliehen hatte / zu Gebet und anderer Erbaulichkeit münd-·und ſchrifft-

lich nutzliche Anleitung zugeben / an einem Ort fraget und ſchreibet: Jch

möchte wohl wiſſen / ob meine Zuhörer alle recht beten könten? ich

kans nicht.

Wenn nun der Ausbund ſolcher Gnadenreichen Männer ſich darinnen

beſcheidentlich ihrer Unvollkommenheit errinnert / und in der Schule Chriſti

und nachdem Beyſpiel der Jünger ſich noch täglich zu beſſern verlanget; So

mag auch Niemand unter uns dieſe Ubung und Kunſt leichte und gering ach-

ten / wohl aber bey der täglichen Ubung allſtets / und bey ſeinem Gebet dabey

umb Göttl. Beyſtand ſeufftzen und ſagen: Herr / lehre uns beten.

Luc. Xl, ·.

Sollen wir in Erzehlung ſolcher ſchweren Ubungen und Künſte der

erſten eine andere an die Seite ſetzen / ſo könte es Ars patiendi oder die U-

bung der Gedult und des Chriſtlichen Leydens ſeyn. Es muß aber da-

durch nicht verſtanden werden patience par foree, wie es die Welt nennet /

eine abgenöthigte Gedult / da man etwan Gewalt und Zwanshalber nicht an-

ders als gedultig ſeyn muß / welche den Heyden und Unglaubigen gemein und

eigentlich Ungedult / und höchſt ſchädlich iſt. Quid enim juvat obn·ti? Denn

was hilfft vergeblich wiederſtreben? Wie einer auf den zerſchnittenen

Aal die Uberſchrifft machte; Sondern wir zielen auf die Chriſtliche und nach

Göttl. Anweiſung vorgebildete und beſchriebene Gedult / wenn ich mit gläu-

bigem Hertzen nach Aſſaphs Mund-Art ſpreche: Jch muß das leiden! Wel-

ches zwar dem Fleiſch und Blut / ſo nur immer den Holtzweg will / darüber ſel-

bige Unart gleichſam zum Liedlein worden: (Wie ſchwerlich läſt ſich Fleiſch

und Blut zwingen zu dem ewigen Gut) gantz beſchwerlich / in ſeinen

Ohren eine frembde Sprache / und im Garten des Hertzens herba exotica

eine frembde und unbekandte Pflantze iſt / abermahls nach dem / wie es Chriſt-

Pſalm.

LXXVII,

Ii.

lich

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6 Künſte des Chriſtenthums gezehlet weil wir dadurch nicht ein äuſſerliches Mundwerck welches mit rethoriſiren nach Gewohnheit practiciret wird ſo thut es auch nicht der ſogenannte Enthuſiasmus precatorius da ebenfals mit weniger Andacht mehr ein Staat und Gewohnheit mit einer ſolchen ver meinten Devotion getrieben wird wie es dann die Anmerckung gegeben hat daß auch grauſame Tyrannen oder gar Barbarn bey und vor ihren Tyranni ſchen oder unziemenden Vornehmen den Schein der Devotion und vieles ver meintes Gebetes an ſich wollen ſpüren laſſen welches von verſtändigen Scribenten ſonſt nach der Länge ausgeführet wird Sondern das Gebet im Geiſt und in der Wahrheit den Herrn anzuruffen und in ſolchem Geſpräch mit GOtt ſtehen erfordert heilige und hertzliche Begierde und Andacht Die Jünger welche allbereit einige Zeit in der Schule des beſten Lehrmeiſters zu beten zugebracht hatten hatten noch immer Urſache zu wün ſchen und zubegehren und um ſolche Unterweiſung zu bitten Der in ſeinem Gebet mit ungemeinem Eifer Andacht uud Vertrauen betende Lutherus wünſchete ſich hertzlich um ſich in ſeiner Bet Art zu ſtärcken daß er hätte ſei nen Heyland in ſeinem Gebet und Flehen vor dem himmliſchen Vater bitten und vorbitten ſehen und hören mögen So iſts ſich auch nicht zuverwun dern daß ein bekanter Lehrer unſerer Kirchen dem doch GOtt beſondere Ga ben verliehen hatte zu Gebet und anderer Erbaulichkeit münd und ſchrifft lich nützliche Anleitung zugeben an einem Ort fraget und ſchreibet Ich möchte wohl wiſſen ob meine Zuhörer alle recht beten könten ich kans nicht Wenn nun der Ausbund ſolcher Gnadenreichen Männer ſich darinnen beſcheidentlich ihrer Unvollkommenheit errinnert und in der Schule Chriſti und nachdem Beyſpiel der Jünger ſich noch täglich zu beſſern verlanget So mag auch Niemand unter uns dieſe Ubung und Kunſt leichte und gering ach ten wohl aber bey der täglichen ubung allſtets und bey ſeinem Gebet dabey umb Göttl Beyſtand ſeufftzen und ſagen Herr lehre uns beten Luc XI I Sollen wir in Erzehlung ſolcher ſchweren Ubungen und Künſte der erſten eine andere an die Seite ſetzen ſo könte es Ars patiendi oder die U bung der Gedult und des Chriſtlichen Leydens ſeyn Es muß aber da durch nicht verſtanden werden patience par force wie es die Welt nennet eine abgenöthigte Gedult da man etwan Gewalt und Zwanshalber nicht an ders als gedultig ſeyn muß welche den Heyden und Unglaubigen gemein und eigentlich Ungedult und höchſt ſchädlich iſt Quid enim juvat obniti Denn was hilfft vergeblich wiederſtreben Wie einer auf den zerſchnittenen Aal die Uberſchrifft machte Sondern wir zielen auf die Chriſtliche und nach Göttl Anweiſung vorgebildete und beſchriebene Gedult wenn ich mit gläu bigem Hertzen nach Aſſaphs Mnnd Art ſpreche Ich muß das leiden Wel ches zwar dem Fleiſch und Blut ſo nur immer den Holtzweg will darüber ſel bige Unart gleichſam zum Liedlein worden Wie ſchwerlich läſt ſich Fleiſch und Blut zwingen zu dem ewigen Gut gantz beſchwerlich in ſeinen Ohren eine frembde Sprache und im Garten des Hertzens herba exotica eine frembde und unbekandte Pflantze iſt abermahls nach dem wie es Chriſt Pſalm LXXVII II lich
6 Künſte des Chriſtenthums gezehlet weil wir dadurch nicht ein äuſſerliches Mundwerck welches mit rethoriſiren nach Gewohnheit practiciret wird ſo thut es auch nicht der ſogenannte Enthuſiasmus precatorius da ebenfals mit weniger Andacht mehr ein Staat und Gewohnheit mit einer ſolchen ver meinten Devotion getrieben wird wie es dann die Anmerckung gegeben hat daß auch grauſame Tyrannen oder gar Barbarn bey und vor ihren Tyranni ſchen oder unziemenden Vornehmen den Schein der Devotion und vieles ver meintes Gebetes an ſich wollen ſpüren laſſen welches von verſtändigen Scribenten ſonſt nach der Länge ausgeführet wird Sondern das Gebet im Geiſt und in der Wahrheit den Herrn anzuruffen und in ſolchem Geſpräch mit GOtt ſtehen erfordert heilige und hertzliche Begierde und Andacht Die Jünger welche allbereit einige Zeit in der Schule des beſten Lehrmeiſters zu beten zugebracht hatten hatten noch immer Urſache zu wün ſchen und zubegehren und um ſolche Unterweiſung zu bitten Der in ſeinem Gebet mit ungemeinem Eifer Andacht uud Vertrauen betende Lutherus wünſchete ſich hertzlich um ſich in ſeiner Bet Art zu ſtärcken daß er hätte ſei nen Heyland in ſeinem Gebet und Flehen vor dem himmliſchen Vater bitten und vorbitten ſehen und hören mögen So iſts ſich auch nicht zuverwun dern daß ein bekanter Lehrer unſerer Kirchen dem doch GOtt beſondereGa ben verliehen hatte zu Gebet und anderer Erbaulichkeit münd und ſchrifft lich nutzliche Anleitung zugeben an einem Ort fraget und ſchreibet Jch möchte wohl wiſſen ob meine Zuhörer alle recht beten könten ich kans nicht Wenn nun der Ausbund ſolcher Gnadenreichen Männer ſich darinnen beſcheidentlich ihrer Unvollkommenheit errinnert und in der Schule Chriſti und nachdem Beyſpiel der Jünger ſich noch täglich zu beſſern verlanget So mag auch Niemand unter uns dieſe Ubung und Kunſt leichte und gering ach ten wohl aber bey der täglichen Ubung allſtets und bey ſeinem Gebet dabey umb Göttl Beyſtand ſeufftzen und ſagen Herr lehre uns beten Luc Xl Sollen wir in Erzehlung ſolcher ſchweren Ubungen und Künſte der erſten eine andere an die Seite ſetzen ſo könte es Ars patiendi oder die U bung der Gedult und des Chriſtlichen Leydens ſeyn Es muß aber da durch nicht verſtanden werden patience par foree wie es die Welt nennet eine abgenöthigte Gedult da man etwan Gewalt und Zwanshalber nicht an ders als gedultig ſeyn muß welche den Heyden und Unglaubigen gemein und eigentlich Ungedult und höchſt ſchädlich iſt Quid enim juvat obnti Denn was hilfft vergeblich wiederſtreben Wie einer auf den zerſchnittenen Aal die Uberſchrifft machte Sondern wir zielen auf die Chriſtliche und nach Göttl Anweiſung vorgebildete und beſchriebene Gedult wenn ich mit gläu bigem Hertzen nach Aſſaphs Mund Art ſpreche Jch muß das leiden Wel ches zwar dem Fleiſch und Blut ſo nur immer den Holtzweg will darüber ſel bige Unart gleichſam zum Liedlein worden Wie ſchwerlich läſt ſich Fleiſch und Blut zwingen zu dem ewigen Gut gantz beſchwerlich in ſeinen Ohren eine frembde Sprache und im Garten des Hertzens herba exotica eine frembde und unbekandte Pflantze iſt abermahls nach dem wie es Chriſt Pſalm LXXVII Ii lich